Die Digitalisierung der Coronelli-Globen: ein aufwändiges aber spannendes Projekt

Kulturerbe Digital I Wolfram
Kulturerbe Digital I Wolfram

Wolfram Joop ist 3D-Artist und einer der Ansprechpartner im kulturerbe digtal-Team von fröbus. Er hat das Projekt der Digitalisierung der beiden Coronelli-Globen federführend begleitet.

Der technische Fortschritt ermöglicht es uns, mittels 3D Digitalisierung Kulturgut als immer leistungsfähigere und hochauflösendere Digitalisate mit allen Details und hoher Farbauthentizität zu generieren. Damit entsprechen wir dem Wunsch unserer Auftraggeber, wirklich nachhaltig zu digitalisieren und wichtiges Kulturerbe als digitales Vermächtnis für kommende Generationen zu bewahren. Lesen Sie über die Digitalisierung zweier bedeutender historischer Globen von Coronelli in unserem aktuellen Blog!

Die Digitalisierung der Coronelli Globen

Ein besonders spannendes aber auch aufwändiges Projekt, war die Digitalisierung von zwei erhaltenen Coronelli-Globen, die im Zentrum der Schatzkammer der Stadtbibliothek Trier stehen. Im November des Jahres 2022 haben wir die beiden weltbekannten Globen digitalisiert, einen Erdglobus und einen Himmelsglobus von Coronelli. Die Coronelli-Globen zählen weltweit zu den kulturgeschichtlich bedeutendsten Globen.

Wie viele es ursprünglich einmal gab, ist unmöglich zu sagen. Vor allem die kleineren Exemplare, die so genannten Seriengloben, sind aufgrund ihrer Größe womöglich leichter verloren oder zu Bruch gegangen. Weltweit sind heute noch ungefähr 60 Paare bekannt und erhalten. Die Meisten dieser Coronelli-Globen stehen in Klöstern, Bibliotheken und Museen. Während die größeren Manuskriptgloben Einzelstücke sind, handelt es sich bei den Seriengloben um Kupferstiche, die nahezu identisch sind. Die großen Manuskriptgloben stehen zwar ideengeschichtlich in einer Verbindung mit den kleineren Exemplaren, sind jedoch individuell anders, da sie von unterschiedlichen Künstlern händisch bemalt und beschriftet worden sind.

Die Enthüllung der Welt – Vincenzo Maria Coronelli und seine historischen Globen

Der Minoritenpater Vincenzo Coronelli (1650–1718) war einer der angesehensten italienischen Kartographen, Geographen und Globenbauer des 17. Jahrhunderts. Durch seine Handwerkskunst und seine akribische Liebe zum Detail schuf Coronelli eine Reihe von historischen Prunkgloben, die Museumsbesucher aus aller Welt auch heute noch in ihren Bann ziehen und ein bedeutendes Kulturgut darstellen.

Die beiden von fröbus digitalisierten Prunkgloben stehen heute in der Schatzkammer im Stadtarchiv in Trier und sind für Besucher zugänglich. Die Globen verbinden barocken Glanz mit wissenschaftlicher Genauigkeit. Die Globen haben einen Durchmesser von über einem Meter, und zusammen mit ihrem Gestell erreichen sie fast zwei Meter in der Höhe. Sie sind besonders gut erhalten, dennoch gibt es auch bei ihnen einige Fehlstellen: So war beispielsweise die Halterung der Globen deutlich abgenutzt. Sie wurden in der Vergangenheit auch einige Male ausgebessert und zeigten dadurch sichtbare Restaurierungsspuren.

Dank der neuen Beleuchtung werden die leuchtenden Farben geschützt, während gleichzeitig alle Details sowohl auf der Erdoberfläche als auch am Himmel klar sichtbar sind. Der Himmelsglobus ist wegen der Darstellung der Sternbilder und ihrer detaillierten und farbenfrohen Gestaltung besonders beeindruckend. Coronelli zeigt 75 Sternbilder – zu den traditionellen Sternbildern des Nordhimmels hat er 34 Sternbilder des Südhimmels hinzugefügt, die kurz zuvor durch die Beobachtungen des berühmten Engländers Edmond Halley kartiert wurden. Der Erdglobus wiederum zeigt die im 17. Jahrhundert neuesten Entdeckungen, vor allem von niederländischen Seefahrern in der Südhemisphäre und der Westküste Nordamerikas.

Die in der Stadt Trier beherbergten Prunkgloben hat Vincenzo Coronelli im Auftrag des Trierer Fürstbischofs Johann Hugo von Orsbeck für dessen Wohnsitz, Schloss Philippsburg in Ehrenbreitstein, gefertigt. Wir hatten die Gelegenheit, die beiden in Trier stehenden Coronelli-Globen in noch nie da gewesener Auflösung und Detailfülle in 3D zu digitalisieren.

Was Digitalisierung von Kulturgut möglich macht

Die Besonderheit der Coronelli-Globen in voller Auflösung erleben, ist das möglich? Heutzutage ist es das. Die 3D-Digitalisierung von Kulturgut ermöglicht die Bewahrung historischer Artefakte und ganzer Sammlungen für kommende Generationen. Ein hochauflösendes 3D-Digitalisat macht es möglich, die kleinsten Details darauf zu erkennen und genauer denn je wahrzunehmen. So können Institutionen beispielsweise mit Unternehmen zusammenarbeiten, die auf die Digitalisierung von Archiven, Bildgebungstechnologien oder die Erhaltung des kulturellen Erbes spezialisiert sind, um sicherzustellen, dass das zu digitalisierende Kulturgut genau und professionell in hochauflösenden Bildern oder 3D-Scans erfasst wird.

Die Besonderheit von digitalisiertem Kulturgut ist aber, dass es oft eine detailliertere Geschichte erzählen kann, als das analoge Original. 3D Digitalisierung kann dabei helfen, Rückschlüsse auf die Epoche, in der der Künstler gelebt hat, zu führen. Wir können herausfinden, wie das Werk entstanden ist und wer den Künstler beeinflusst hat. Ein Digitalisat macht es möglich, in den Globus „reinzuzoomen“ und jedes noch so kleine Detail zu erkennen. Vor allem bei der enormen Größe der Globen ist das von Bedeutung. So kann jeder beliebige Bereich in 3D betrachtet und analysiert werden.

Durch die Möglichkeiten der digitalen Vernetzung wird einem schnell klar, wie viele neue Relationen und neue Narrative plötzlich zu einem Kunstwerk, einem Künstler oder einer Epoche entstehen können. Forscher und Kuratoren können dann einzelne Werke über das Internet oder Datenbanken mit anderen Werken vergleichen oder in einen Zusammenhang stellen. Das eröffnet vielseitig neue Möglichkeiten in der Forschung, aber auch aus museumspädagogischer Sicht.

Coronelli in 3D: Kultur trifft auf bahnbrechende Technologie

Die Digitalisierung der Coronelli-Globen stellte uns bei fröbus vor eine Herausforderung, zunächst einmal wegen ihrer Größe, die die üblichen Dimensionen von Weltkugeln der damaligen Zeit bei weitem übertraf. Mit einem Durchmesser von 1,08 Metern, einer Gesamtoberfläche von beinahe vier Quadratmetern, einer Halterung mit Durchmesser 1,39 Meter, die entlang der Meridiane verläuft, sowie winzigen Kupferstich-Elementen mit detailgenauer Beschreibung von Ländern, Flüssen und Gebirgen in sehr kleiner Schrift, hatten wir nach kürzester Zeit eine enorme Datenfülle und mussten echte Präzisionsarbeit leisten, um ein detailgetreues digitales Abbild des Originals zu erzeugen. Mehrere tausend Bildaufnahmen mussten gemacht werden, um die nötige Schärfe und eine hohe Auflösung zu garantieren. Wie die Macher der Coronelli-Globen das zur damaligen Zeit so klein und doch so präzise geschafft haben, verblüfft uns immer wieder. Ob sie wohl durch eine Lupe geblickt haben? Ganz sicher können wir das nicht sagen. Um also die 3D Digitalisierung von allen Seiten zu ermöglichen, musste die historische Weltkarte aus allen erdenklichen Perspektiven erfasst werden.

Dabei fällt auf, dass es immer wieder Fehlstellen gibt, denn mit der Zeit bildet sich auf in die Jahre gekommenen Objekten so genanntes Craquelé (dt. Krakelee). Dieses beschreibt ein Haarnetz-Muster aus feinen oder dichteren Rissen auf der Oberfläche von einem Objekt, beispielsweise einer besonders alten Weltkugel, einer alten Weltkarte oder einem Gemälde. Entsteht es ungewollt, kann es das Ergebnis von Trocknung und Alterung sein. Darüber hinaus bilden sich im Laufe der Jahrhunderte, wenn Kulturgut beispielsweise offen zugänglich steht oder von Museumsbesuchern häufig berührt wird, sichtbare Abnutzungsspuren. Durch die enge Zusammenarbeit mit Restauratoren und den Vergleich mit den anderen Coronelli-Globen, die noch erhalten sind, konnten schließlich Rückschlüsse auf das Original geführt und die beschädigten Stellen am Original-Globus ergänzt werden. So konnte eine sehr vollständige digitale Replikation in 3D erreicht werden. Das Digitalisat ist für den Gebrauch an einem gewöhnlichen „Heimcomputer“ zu groß, die Auflösung zu genau, daher eignet es sich zur Darstellung vor allem für den Gebrauch im Museum, an so genannten Lern- bzw. Medienstationen.

Exkurs: Zur Geschichte von Globen

Globen haben eine lange kunsthistorische Geschichte und im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Entwicklungen und Veränderungen durchlaufen. Die Verwendung von historischen Weltkarten zur Darstellung der Erde reicht bis in die Antike zurück. Griechische Gelehrte wie Eratosthenes und Ptolemäus haben bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. Theorien zur Gestalt und Größe der Erde entwickelt. Im Mittelalter wurden globenähnliche Objekte wie Armillarsphären oder Himmelsgloben verwendet, um das Weltall darzustellen. Während der Renaissance, insbesondere im 15. und 16. Jhd., erlebte die Kartografie und Globenherstellung eine Blütezeit: Darstellungen wurden immer genauer und detaillierter und dienten sowohl wissenschaftlichen als auch dekorativen Zwecken. Berühmte Kartografen und Globenmacher wie Martin Behaim und Gerardus Mercator trugen zur Entwicklung der antiken Globen und historischen Weltkarten bei.

Der Behaim-Globus, dessen Entstehung auf die Jahre 1490 bis 1492 zurückdatiert werden kann, wurde erst kürzlich als eines von vier aus Deutschland stammenden Artefakten ins Unesco Weltdokumentenerbe aufgenommen. Amerika ist auf dem Behaim-Globus noch nicht zu sehen, da Christopher Columbus erst 1493 von seinen Entdeckungsreisen nach Spanien zurückkehrte. Dafür ist Amerika auf den Coronelli-Globen, sowie auf dem ebenfalls von fröbus digitalisierten Schöner-Globus von 1515, gut erkennbar.

Das Zeitalter der Entdeckungen (15. und 16. Jhd.) machte Weltkarten zu wichtigen Werkzeugen, um die neuen geografischen Erkenntnisse aus den Entdeckungsreisen darzustellen. Die Kartografie und die Herstellung ebendieser entwickelten sich hier signifikant weiter, um die neuen Informationen über unbekannte Länder und Ozeane zu integrieren und in die ganze Welt hinauszutragen. Im Barock und Rokoko (17. Und 18. Jhd.) wurden Himmels- und Erdgloben zu prächtigen Kunstobjekten, so genannten Prunkgloben. Aufwendige Halterungen, Verzierungen und detaillierte Notizen zierten die historischen Prunkgloben dieser Epoche.

Vincenzo Coronelli erlangte sein Wissen für die Herstellung von Globen aus der zeitgenössischen Kartografie und Geografie und zog Informationen aus Büchern, Karten und Berichten anderer Gelehrter und Kartografen heran, um sein Projekt zu realisieren. Die Erforschung der Welt und die zu dieser Zeit stattfindenden Entdeckungsreisen lieferten Coronelli wichtige Informationen über neue Länder, Kontinente und geografische Merkmale. Berichte von Entdeckern wie James Cook und Christopher Columbus  erweiterten sein Wissen. Nicht zuletzt war es seine eigene Forschung und Vermessung sowie Reisen, die es ihm ermöglichten, seine Globen so präzise wie möglich zu gestalten. Die terrestrischen und himmlischen Coronelli-Globen wurden 1683 fertiggestellt. Sie werden aufgrund ihrer künstlerischen Schönheit und kartografischen Genauigkeit bis heute hochgeschätzt und gelten als Meisterwerke der Globenherstellung. Diese werden für immer ihren Platz in den Annalen des kartografischen Erbes einnehmen.

Eine neue Ära bricht an

Mit dem Aufkommen moderner Technologien wie Satellitenkartografie und digitaler Darstellung hat sich die Herstellung von historischen Weltkarten im 20. und 21. Jahrhundert stark verändert. Moderne globale Kartendaten können präzise auf Globen projiziert werden, und es gibt eine Vielzahl von Materialien und Stilen, in denen Globen hergestellt werden können. Die kunsthistorische Geschichte zeigt, wie sich die Darstellung der Welt im Laufe der Zeit entwickelt hat. Von einfachen Darstellungen in der Antike bis hin zu kunstvollen und hochpräzisen Meisterwerken der Renaissance und der Barock-Zeit haben historische Weltkarten und Himmels- oder Erdgloben sowohl als wissenschaftliche Instrumente, als auch als ästhetische Kunstwerke einen wichtigen Platz in der Geschichte der Kartografie und der bildenden Kunst eingenommen.

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