Erst mit dem richtigen Farbmanagement entsteht die Magie in der Bildgebung

Erst mit dem richtigen Farbmanagement entsteht die Magie in der Bildgebung

Ein Interview mit Ralf Meyer, Leiter Kulturerbe bei fröbus Medien

 

Kulturerbe Redaktion: Warum spielt das Farbmanagement bei der Digitalisierung von Kulturgütern eine so große Rolle?

Ralf Meyer: Farbmanagement ist im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Kunst- und Kulturobjekten enorm wichtig, um sicherzustellen, dass die Farben des digitalisierten Objekts so genau wie möglich den tatsächlichen Farben des physischen Originals entsprechen. Der Betrachter soll die Farben des Objekts so erleben, wie sie vom Künstler oder Werkschaffenden beabsichtigt waren und trägt zur Authentizität von digitalisiertem kulturellem Erbe bei.

Warum ist eine farbtreue Wiedergabe bei der Digitalisierung historischer Gemälde und anderer Kunstobjekte schwierig?

Ralf Meyer: Grundsätzlich muss immer die Frage geklärt werden: Soll das finale Digitalisat die aktuelle Farbgebung mit allen Alterungserscheinungen wiedergeben oder soll das digitale Replikat den ursprünglichen Zustand wiedergeben – also so, wie der Künstler die Farben aufgetragen hat? Zunächst einmal reproduzieren wir immer den aktuellen Zustand der Objekte in ihrem jeweiligen Stadium der Alterung.

Die farbtreue Wiedergabe des ursprünglichen Zustands historischer Gemälde kann aus verschiedenen Gründen eine Herausforderung darstellen: Zum einen gab es keine Standardfarben. Vor der Verbreitung von Tubenfarben wurden die Farbpigmente von den Malern in der Regel auf dem Markt gekauft und selbst gemischt – Qualitätsschwankungen sowie bestimmte Vorlieben und Gewohnheiten des Künstlers spielen daher eine große Rolle. Auch die Alterungsprozesse des Farbauftrages bei alten Gemälden verlaufen je nach den Lagerungsbedingungen höchst unterschiedlich. Man kann also nicht so einfach vom aktuellen Ist-Zustand auf die ursprüngliche Ausprägung der Farbe zurückrechnen.

Welche Möglichkeiten gibt es dennoch für eine möglichst farbtreue Erfassung und Wiedergabe?

Ralf Meyer: Um eine möglichst genaue farbtreue Wiedergabe zu erreichen, werden hochwertige Kameras, spezialisierte Beleuchtungstechniken, und diverse Farbmanagement-Tools eingesetzt. Wir arbeiten immer eng mit Experten für Konservierung und Restaurierung der Museen und Kulturinstitutionen zusammen, die sich mit den jeweiligen Altmeistern oder Künstlern auskennen und auch das Gemälde oder den Kunstgegenstand eingehend untersucht und die Farben analysiert haben.

Welche Erkenntnisse über die Farben können direkt beim Vorgang der Digitalisierung gewonnen werden?

Ralf Meyer: Wir selbst können bei der Erfassung der Daten sehr viele Erkenntnisse über die Farbwahl, Materialien und die Oberflächenstruktur der Objekte. Unsere hochauflösenden Kameras können Informationen im ultravioletten und nahen Infrarotbereich des Spektrums erfassen, die das menschliche Auge nicht sehen kann. Auf diese Weise lassen sich Bildinformationen sichtbar machen, die normalerweise im Verborgenen bleiben. So können etwa Unterschiede zwischen Materialien ausgemacht werden, die zwar gleich aussehen, in ihrer Beschaffenheit aber variieren. Zudem kann zwischen reflektiertem Licht und Fluoreszenz/Lumineszenz unterschieden werden.

Die vollautomatische Multispektral-Lösung kann die Grundlage für weitere wissenschaftliche, möglicherweise invasive Untersuchungsmethoden bilden. Die Einsatzbereiche reichen von Digitalisierungsprojekten auf dem Gebiet der Konservierung und Restaurierung bis hin zur kriminaltechnologischen Untersuchung und der industriellen Anwendung. Multiband- und Narrowband-Imaging gewinnt rasant an Bedeutung, da die Bilddaten hier quantitativ ausgewertet, in einer Spektralkurve dargestellt und/oder durch statistische Analysen weiterverarbeitet werden können.

Werden auch biographische Hinweise für den jeweiligen Maler berücksichtigt?

Ralf Meyer: Die Erforschung historischer Malfarben ist ein fortlaufender Prozess. Es gibt darüber einen regen internationalen wissenschaftlichen Austausch. Für bestimmte Maler gibt es regelrechte Experten, etwa Kunsthistoriker, Restauratoren oder Konservatoren. Dabei werden oftmals schriftliche Aufzeichnungen, Briefe oder Tagebücher von dem Künstler selbst oder von Zeitgenossen ausgewertet, um Informationen über die verwendeten Farben und Techniken zu finden. Wir als Anbieter für Digitalisierung profitieren von solchen Erkenntnissen. Deshalb arbeiten wir eng mit unseren Auftraggebern zusammen.

Was ist bei der Digitalisierung und damit der Erfassung der Farben technisch zu berücksichtigen?

Ralf Meyer: Ein wichtiger Schritt bei jeder Art von Farbmanagement ist die Farbkalibrierung: Die Kalibrierung der Erfassungsgeräte, wie Kameras oder Scanner auf eine standardisierte Farbwiedergabe, ist immer Voraussetzung. Dazu nutzen wir Farbprofile. Das sind Dateien, die die Farbeigenschaften eines Geräts oder einer Farbraumdarstellung beschreiben. Sie dienen uns als Referenz, um die Farben zwischen verschiedenen Geräten oder Anwendungen zu korrigieren und abzugleichen. So kann eine konsistente Farbwiedergabe gewährleistet werden.

Gibt es so etwas wie eine Postproduktion bei der Digitalisierung von Kulturobjekten?

Ralf Meyer: Im Bereich Kulturerbe auf jeden Fall. Dabei entsteht doch erst die Magie in den Bildern. Wir überprüfen die Farbgenauigkeit und bearbeiten diese bis zum Optimum. Dabei setzen wir auf eine ganze Reihe von unterschiedlichen Farbmanagement-Tools. Als Unternehmen greifen wir zudem auf eine sehr lange Tradition an Erfahrung zurück: fröbus war ursprünglich ein Unternehmen für Lithografie und Druck. Wir haben uns stetig mit allen Medieninnovationen entwickelt und verfügen heute über eine hochmoderne Abteilung für Bildbearbeitung und CGI.

Für Unternehmen aus der Automobilindustrie – etwa Audi – erstellen wir zum Beispiel fotorealistische Produktvisualisierungen für sogenannte Car-Konfiguratoren. Gerade für die Automobilindustrie ist die richtige Darstellung der Farben – etwa vom Lack, der Ausstattung oder des Leders ein wichtiger Faktor bei der Kaufentscheidung der Kunden. Die Farben müssen auf das Genaueste stimmen. Hinzu kommt: Damit ein Auto, das oftmals noch gar nicht existiert, emotional ansprechend aussieht, braucht es ein überzeugendes Environment, realistische Texturen und lebendige Lichtreflexe. Vor allem mit der Lichtreflexion auf den Materialien hauchen wir der Visualisierung Leben ein. Das ist ganz entscheidend.

Damit wären wir beim Thema Licht und Lichtreflexe. Werden diese vor allem in der Postproduktionsphase optimiert?

Ralf Meyer: Während der Erfassung arbeiten wir – je nach Objekt und Aufgabenstellung – mit ganz unterschiedlicher Lichtsetzung. Auch hier gibt es eine große methodische Vielfalt. Zunächst muss man verstehen, bei einem Digitalisierungsprozess in 3D geht es aber überhaupt nicht darum, natürlich Lichtreflexe zuzulassen. Im Gegenteil: immer dort wo Licht reflektiert wird, sprechen wir von einer Weißfläche. Das bedeutet: dort sind keine geometrischen Informationen vorhanden. Bei der Digitalisierung wollen wir aber möglichst viele Informationen über die Objektgeometrie erfassen. Wir minimieren daher Licht und Reflektion – sie werden in der Postproduktion wieder addiert. Nur so entstehen ein natürlicher räumlicher Eindruck und ein lebendiges Bild. Wie schon gesagt, bei Kunst- und Kulturobjekten ist das immer wieder ein magischer Moment.

Vielen Dank für das Gespräch!

Wir haben viele spannende kulturelle Artefakte digitalisiert. Wenn Sie sich für unsere Projekte interessieren, klicken Sie bitte hier

Herausforderungen bei einer farbgenauen Digitalisierung von historischer Kunst

Alterungserscheinungen: Historische Gemälde oder Kunstobjekte können im Laufe der Zeit verschiedenen Alterungserscheinungen ausgesetzt sein, wie beispielsweise Verfärbungen, Abblätterungen oder Verblassen der Farben. Diese Veränderungen machen es schwierig, die ursprünglichen Farben des Gemäldes genau zu erfassen und wiederzugeben.

Materialien und Pigmente: Historische Gemälde oder Farbaufträge wurden oft mit traditionellen Materialien und Pigmenten hergestellt, die sich im Laufe der Zeit verändert haben können. Einige Pigmente können anfällig für Verblassen oder Veränderungen sein, während bestimmte Bindemittel oder Überzüge zu Verfärbungen führen können. Als Digitalisierungsdienstleister arbeiten wir eng mit den Restauratoren, Konservatoren und Kunsthistorikern unserer Auftraggeber zusammen.

Beleuchtung: Die richtige Beleuchtung ist entscheidend, um die Farben eines Gemäldes oder eines Farbauftrages – etwa auf einer Vase oder einem Altar – korrekt zu erfassen. Bei der Digitalisierung müssen die richtigen Lichtquellen und -einstellungen verwendet werden, um die Farben so genau wie möglich darzustellen. Unterschiedliche Beleuchtungsbedingungen können zu unterschiedlichen Wahrnehmungen der Farben führen.

Oberflächenstruktur: Gemälde oder Kunstobjekte können eine komplexe Oberflächenstruktur aufweisen, die das Licht auf unterschiedliche Weise reflektiert. Die korrekte Erfassung dieser Oberflächenstruktur stellt eine Herausforderung darstellen und wirkt sich auf die Farbwiedergabe aus.

 

Foto Credits: fröbus Medien